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Stimming – was das ist und wie es Autisten helfen kann - Andi - 27.12.2022

Stimming – was das ist und wie es Autisten helfen kann

Menschen aus dem Autismus-Spektrum haben eine ganz besondere Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung, welches sich auf das Erleben, das Verhaltensrepertoire sowie die sozialen Interaktionen auswirkt.

Diese andere Wahrnehmung ist zwar bekannt, jedoch fehlt eine differenzierte Betrachtung in Bezug auf das gezeigte Erscheinungsbild. Autismus wird nur durch Aufzählungen der Besonderheiten beschrieben. Ein Erkennen und Verstehen der Zusammenhänge, sowie dessen Auswirkungen auf den Alltag, auf das Erleben und Verhalten, finden kaum statt. Dabei könnte dieses Wissen den Betroffenen, ihren Familien, TherapeutInnen oder Begleitenden helfen, Austausch und Miteinander zu gestalten, Hilfen und Angebote zu verbessern.


Eine genauere Betrachtung von Stimming soll dies verdeutlichen:

Stimming sind sich wiederholende und gleichbleibend wirkende Handlungen mit dem Ziel, eine vermehrte Anspannung abzubauen. Die starke Erregung wurde entweder durch einen belastenden Sinnesreiz ausgelöst oder durch die Kombination verschiedener Impulse. Zum Beispiel einem besonders unangenehmen Geräusch, bzw. einem Geruch oder durch komplexe, unstrukturierte Aufgaben und Situationen, bei denen die entsprechenden Reize nicht ausreichend selektiert sowie zu einem Gesamtbild verbunden werden können.


„Ich kann es nicht oft genug wiederholen. Stimming ist (m)ein wichtigstes Hilfsmittel überhaupt. Stimming beruhigt mich und ermöglicht mir, mich in die Interaktion mit anderen Menschen zu begeben und in dieser eine Zeit lang verweilen zu können. Stimming ermöglicht mir Teilhabe.“
Vero G. Das andere Kind in der Schule, S. 141.


Bedingt durch die andere Verarbeitung der Sinnesreize benötigen die Betroffenen in ihrem Alltag Mechanismen, um der Übererregung zu begegnen. Auch die Regulation selbst wird in einer besonderen Art und Weise durchgeführt. So könnte ein bestimmter Geruch oder ein Geräusch, ein lautes Tönen, ein aufgeregtes Klopfen oder auch das Wiederholen von Satzteilen zur Folge haben. Dieses wirkt für Außenstehende oft befremdlich, unangemessen, beängstigend oder sogar provozierend.
Häufig versuchen Eltern und Begleiter deshalb die Autostimulationen aktiv oder auch verbal zu unterbinden.


„Kinder stehen immer unter starker Anspannung, wenn sie mit Autostimulationen reagieren (…) Jede unserer Reaktionen wie Schimpfen, Verbieten, Ablenken, kommt beim Kind nicht an, sondern wirkt meist gegenteilig. Sie verstärken in der Regel die Erregung beim Kind und damit seine Autostimulation.”

Büker U. (2016), Was macht mein Kind denn da? S.15, Druckhaus Mainfranken GmbH


Ein Verbot der Stimulationen führt jedoch meist zu einer Verstärkung der Anspannung, da für die Betroffenen nun keine Möglichkeit mehr besteht, die Erregung abzubauen.
Wenn Schläge mit dem Kopf durch das Aufsetzen eines Helmes unterbunden werden, wenn das Beißen in die eigene Hand durch eine Schiene unmöglich gemacht wird, benötigen Betroffene andere Impulse, um die Anspannung zu mindern. Dies zeigt sich bei Ausweichhandlungen, wie Schlägen gegen Kinn und Nase oder dem Beißen auf die Zunge bzw. den Wangeninnentaschen.


Bei einem Ignorieren der Notsituation, einem Abschieben in einen „Ruhe-Raum“, fehlt ebenfalls eine aktive Unterstützung. Hier versuchen die Kinder nun allein die unbedingt notwendigen Regulation zu erfahren: Sie laufen herum, tönen, schreien oder weinen und zeigen zum Teil auch selbstverletzende Verhaltensweisen. Manchmal zeigen diese Hilfen erst nach langer Zeit ihre Wirkung. Bedingt durch Habituation (Gewöhnungseffekt durch gleich oder ähnlich ausgeführte Reize) müssen die Stimulationen zudem intensiviert oder an empfindlichen Körperteilen durchgeführt werden, damit sie weiterhin beruhigen. Besonders in Zeiten mit stark erhöhter Stressbelastung (Krankheit, Schulwechsel o.ä.) steigt das Gefahrenpotential durch Selbst- oder Fremdverletzungen stark an. Vor allem aber sind die Betroffenen in ihrer Not allein, Hilfestellungen von außen sind (scheinbar) nicht möglich.


Wenn die Bedeutung dieser Handlungen als ein Bedürfnis nach einem bestimmten Impuls erkannt wird, kann diese aufgenommen, verändert oder intensiviert werden, um Regulation und Wohlbefinden aktiv zu unterstützen.


Dabei kann ein beobachtbares Verhalten teilweise verschiedenen Wahrnehmungsbereichen und Besonderheiten zugeordnet werden. So wird ein Schlagen auf die Ohrmuschel häufig mit einem Ausschalten eines hörbaren Störreizes gleichgesetzt. Es könnte jedoch auch die Suche nach einem besonders starken (auditiven) Stimuli aufzeigen, wie dem Rauschen, welches durch den Verschluss der Ohrmuschel entsteht oder auch dem starken körperlichen Impuls, durch den Druck der Hand. Vielleicht könnte das Gegenüber diesen Impuls ähnlich setzen oder auch Druck und Zug auf die Ohrmuschel ausüben? Vielleicht wäre eine Massage des Kiefergelenkes, mit Druck auf Ohr und äußerem Trommelfell eine entspannende Berührung?


Stimming als wichtiges Hilfsmittel

Aber auch in anderen Alltagssituationen, in denen die Erregung weniger ausgeprägt ist, erfüllt das Stimming eine wichtige Funktion.
In einem Gespräch mit M. Brien (diagnostizierter Asperger) berichtete dieser, dass er in der Schule, auch im Unterricht, gerne seine Daunenjacke trug. Dies wurde ihm jedoch zumeist verboten, da es ja im Klassenzimmer viel zu warm wäre und außerdem die Jacken an den Haken im Flur gehören! Ohne seine Jacke fehlte Brien jedoch etwas – eine Rückmeldung über seinen Körper, der Druck der Jacke, die beruhigende Enge am Rücken und an den Armen. An diesen Tagen war es ihm nicht möglich, dem Unterricht zu folgen. Brien benötigte seine ganze Aufmerksamkeit, um nicht aufzuspringen und wegzulaufen und sich somit einen anderen Stimulus zu suchen.
Das „Nicht-Auffallen“ war in diesen Situationen für ihn Aufgabe genug. Wenn die Begleitpersonen um die Bedeutung des Stimmings und hier um den Druckimpuls der Jacke gewusst hätten, wäre dieses Hilfsmittel vielleicht erlaubt worden!? Vielleicht wären ihm sogar, um der Habituation entgegenzuwirken, andere, entsprechende Impulse angeboten worden, wie eine Druckweste (welche nicht zusätzlich wärmt), ein Gewichtskissen oder eine von der Schulbegleitung durchgeführte Rückenmassage.

Um die entsprechenden Hilfen auch in Notsituationen anwenden zu können, ist es hilfreich, diese bereits vorher auszuprobieren. In den Momenten mit starker Erregung müssen sie nochmals situational angepasst werden. Eine aktive Unterstützung für die Betroffenen wird so möglich.
Ein Umleiten oder Ersetzen von unerwünschten Autostimulationen, wie z.B. dem Beißen in die eigene Hand, gelingen nur, wenn die Alternative der spezifischen Impulssuche entspricht. So könnten hier eventuell Vibrationsmassagen, durchgeführt an Kiefer, Kinn oder an den unteren Zahnreihen entspannend wirken – jedoch ohne die Gefahr einer Selbst- und Fremdverletzung.


Aus Regulation wird Interaktion

Zusätzlich zur Regulation bieten die Stimulationshilfen Anlass zu positiv erlebter Interaktion, zum gemeinsamen Spiel, zu gemeinsamen Interessen. Der Austausch ist kein Wegnehmen oder Verbieten, kein Ermahnen oder Anweisen, sondern ein Unterstützen und ein Stärken. Impulse, die passend gesetzt werden, bedeuten somit nicht eine isolierte Fokussierung auf den eigenen Körper und somit Rückzug vom Gegenüber, sondern Unterstützung. Die Betroffenen erleben, dass sie (in ihrer Not) nicht allein sind. Sie werden gesehen und verstanden, sie erfahren Interaktion und Beziehung.

“Eltern haben im Kontakt mit ihren Kindern selbstverständlich immer das Bedürfnis, sanft und liebevoll zu sein. Schon sehr festes Klopfen auf den Rücken kommt ihnen zunächst fast vor, als würden sie ihr Kind schlagen, sehr festes Kneten der Hände empfinden sie beinahe als Misshandlung. Daher ist ihr Erstaunen dann immer sehr groß, wenn sie die erfreute Reaktion ihres Kindes erfahren und über diese Form des Körperkontaktes sehr schnell ein intensiver Austausch beginnt, den sie häufig vorher noch nicht erleben konnten. Plötzlich erfahren sie Resonanz auf ihre Zuwendung, die sie bei all ihren Versuchen mit verbaler Ansprache oder zärtlichem Streicheln nie bekommen haben”.
Büker U. (2016), Kommunizieren durch Berühren, S. 81, Verlag selbstbestimmtes Leben

Bei der Suche nach der richtigen Hilfestellung sind eine gute Beobachtung der gezeigten Verhaltensweisen, eine Bereitschaft zum Ausprobieren und zur Flexibilität notwendig. Ob es die „richtige“ Hilfestellung ist, zeigen die Reaktionen auf die angebotenen Impulse – diese sind meist unmittelbar und eindeutig. Ein Innehalten in der Bewegung, ein spontaner Blickkontakt und ggf. ein Einfordern zur Wiederholung des Impulses. Je nach Möglichkeit, ein darüber reden, ein gezieltes Wünsche äußern und gemeinsames Ausprobieren und Entdecken.

Beobachtbares Verhalten 

Mögliche Hilfestellungen

Häufiges Herumlaufen im Raum

Gemeinsam Laufen durch den Raum, Tanzen oder Hüpfen. Stimulationen und Massagen der Beine und Fußsohlen.

Treten gegen Wände, gegen Personen oder festes Aufstampfen auf dem Boden

Gemeinsames Aufstampfen auf den Boden oder Hüpfen auf dem Trampolin. Feste Massagen der Fußsohlen und Beine, Druckimpulse bis in den Beckenbereich.

Schläge mit dem Handballen gegen Begrenzungen oder Personen

Feste Massagen der Hand, dem Handgelenk und der Schulter, Schieben und Ziehen von schweren Gegenständen

Kratzen mit den Fingernägeln über Oberflächen

Stimulationen/Massagen der Finger (-spitzen), Spüren von verschiedenen Oberflächen

Die Stimulationen von außen ermöglichen es zudem, dass Betroffene, auch bei steigender Erregung noch ansprechbar sind. Ein Mensch in Not, welcher mit dem Kopf gegen die Wand schlägt oder sich die Hände fest auf die Ohren drückt, kann die beruhigenden Worte des Gegenübers nicht hören, kann ein ermutigendes Lächeln nicht sehen. Wenn Betroffene in dieser Situation jedoch eine passende Zuwendung erfahren, nehmen sie vielleicht auch ihr Gegenüber wahr, hören dessen Stimme, erkennen das vertraute Gesicht und können weitere stressauslösende Situationen leichter überstehen.
Wenn Regulation und Unterstützung möglich werden und wenn Betroffene erleben, dass auf ihre Bedürfnisse und Impulse passend reagiert wird, dann lohnt sich Interaktion und wird beim nächsten Mal vielleicht aktiv eingefordert.


Ein Fallbeispiel: Manuel, 15 Jahre, Asperger-Autismus

Im Schulalltag gibt es viele Situationen, die Manuel überfordern. Im Unterricht zeigt sich dies, wenn er ungefragt zu erzählen beginnt oder wenn er laut in den Raum ruft.
Teilweise springt er von seinem Stuhl auf und drangsaliert seine Mitschüler, in dem er deren Federmäppchen herunterwirft oder sie mit einem Stift zu verletzen droht.
Wutausbrüche und fremdverletzende Verhaltensweisen kommen für ihn und seine Umgebung scheinbar unvorhersehbar und unkontrollierbar. Später ist ihm sein Verhalten unangenehm und er entschuldigt sich. Für die Lehrkräfte und auch die Mitschüler sind seine Ausbrüche bald nicht mehr tragbar und es droht der Schulausschluss (…)
Hilfestellungen und Entwicklungen: Die Arbeit an Manuels Körper- und Selbstbewusstsein ist von Beginn an wichtige Bestandteile der Therapie. Auch im Alltag rücken Bewegungen und somit der Abbau von vermehrter Anspannung stärker in den Fokus. Trampolinspringen, Schwimmen, Reiten und wenn möglich Wintersport sind feste Bestandteile in der Wochenplanung. Abends werden zusätzlich Massagen oder Vibrationen angeboten. Manuel lernt, wie wichtig es ist, seinen Körper und seine Emotionen zu spüren – in Ruhe, in Aktivität und besonders in Notsituationen. Nach fast zwei Jahren kommt er eines Tages aufgeregt zur Therapie und berichtet, dass die Mitschüler ihn in der Schule geärgert haben. Er kann jetzt nicht arbeiten, sondern muss erst einmal zum Boxsack. Dort schlägt Manuel mehr als zehn Minuten mit all seiner Kraft auf das Sportgerät ein. Ganz erhitzt atmet er anschließend tief durch und sagt: „Jetzt können wir nun mit der Therapie anfangen, jetzt ist es besser!“ Dabei hatte Manuel bereits mit der Arbeit begonnen, und zwar in dem Moment, wo er hereinkam, seine Not gespürt hat, eine Lösung wusste und diese äußern konnte. Manuel kann zu Recht stolz auf sich sein.
(Vorabauszug aus „Kinder im Autismus-Spektrum verstehen und unterstützen. Ein Wahrnehmungswegweiser für Eltern und Begleitende“ Kohlhammer-Verlag, Erscheinung voraussichtlich Herbst 2022)


Der Notfallkoffer

In vielen psychiatrischen Bereichen sind Notfall-Koffer eine bewährte Hilfestellung für belastende Situationen. Das Erleben dieser Notsituationen ist vergleichbar mit einem Overload oder gar einem Meltdown bei Menschen mit Autismus, deshalb könnte auch hier die Anwendung eines Notfall-Kids empfehlenswert sein. Ein Notfallkoffer könnte aus folgenden Gegenständen bestehen: Igel- oder Tennisball, Eis-Pad, Taschenvibrator, Gummiband am Handgelenk, einer Wäscheklammer und einer kleinen Nagelbürste. Geschmacksangebote, wie getrocknete Chilischoten, scharfe Weingummis, Brause oder bittere Bonbons, Geruchssäckchen mit Lavendel, Ammoniak oder Menthol. Individuell zusammengestellt, entsprechend der Wahrnehmung der Betroffenen.
In Situationen, in denen sich Überforderung zeigt, die Anspannung steigt, sollten zeitnah Hilfen aus dem mit den Notfallkoffer eingesetzt werden.
Verschiedene Impulse, an unterschiedlichen Körperstellen, um den Reiz zu finden, der die Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper lenkt und somit regulierend wirkt: So kann der Druck einer Wäscheklammer zunächst am Arm, bzw. am Handgelenk ausprobiert werden, dann an der Wange und ggf. an Nase oder Zunge – also an Körperstellen, die auch in Erregungssituationen noch wahrnehmbar sind. Ein unkontrolliertes Verhalten, wie das Schlagen des Kopfes, das Beißen auf die Zunge oder in das Handgelenk wäre in jedem Fall eine größere Gesundheitsbelastung. Vielleicht ist nach einigen Wochen auch ein anderer, weniger starker Impuls möglich, bzw. erfolgt die Impulsgebung nochmal früher und dann wären der Gebrauch einer Nagelbürste oder ein Igelball ausreichend, um einen Overload oder sogar Meltdown zu verhindern.


„Leises“ Stimming

Stimming zeigt sich einerseits in Form von den bereits beschriebenen intensiven körperlichen Stimulationen. Es kann jedoch auch deutlich leiser, feiner, unauffälliger sein und doch hat es eine hohe Bedeutung für die Betroffen. Ein stetiges Schnipsen mit den Fingern, ein Verziehen der Mundwinkel, ein leichtes Vor- und Zurückpendeln, ein Schnalzen mit der Zunge u.ä., es gibt eine Vielzahl von Handlungen und Tätigkeiten, die beruhigen.
Dies ist nicht nur bei Menschen mit Autismus zu beobachten. Jeder Mensch hat seine eigenen, persönlichen Vorlieben, seine Tics, die ihm guttun. Für einige ist es der Blick auf das Meer und die Wellen, für die anderen auf das Drehen der Waschmaschinentrommel. Einige hören beruhigt dem Singen der Vögel zu, andere einem Klopfgeräusch. Einige essen gerne ein Stück Schokolade, andere beißen voll Genuss in eine Zwiebel. Erlaubt ist was gefällt. Wenn die individuelle Stimulation entspannend wirkt, Betroffenen dadurch keine gesundheitliche Belastung erfahren und es auch für andere nicht gefährdend oder stark störend ist, sollte es möglich sein, dass auch seltsam erscheinende Stimulationen, bestehen dürfen.


Stimming kann einem autistischen Menschen dabei helfen, Barrieren zu überwinden, die sie von ihrer Seite nicht abbauen könne. Es wird leider noch sehr oft missverstanden. Bis heute wird es autistischen Menschen weggenommen bzw. werden Stimming-Aktivitäten unterbunden. Einem Rollstuhlfahrer nimmt niemand den Rollstuhl weg, auch dann nicht, wenn er quietscht oder Spuren auf dem Boden hinterlässt.
Vero G. Das andere Kind in der Schule, S. 141.


Andererseits gibt es Situationen, in denen die individuelle Stimulation starken Unmut hervorruft. In der Schule könnte zum Beispiel das Sitzen auf einem Pezziball, dem SchülerIn mit Autismus eine bessere Konzentration ermöglichen, aber andere könnten dem Unterricht durch diesen „Störimpuls“ nicht mehr folgen. Ein spezielles Sitzkissen oder ein leichtes, regelmäßiges Pendeln des Oberkörpers wären eventuell für SchülerIn und MitschülerIn eine gute Alternative. Oder auch am Arbeitsplatz, wenn ein intensives Hände-flattern, besonders nah vor den Augen, entspannt, es dadurch aber zu einer Verurteilung oder auch Ausgrenzung von weiteren MitarbeiterInnen kommt. Hier wären vielleicht alternative Stimulationen hilfreich, wie der Einsatz eines kleinen Kreisels in einer Box, ein blinkender Leuchtstift (wenn der visuelle Effekt bedeutend und beruhigend wirkt) oder eine regelmäßige Handmassage, das Tragen einer Gewichtsmanschette oder ein Zug auf die Handgelenke (als körperliche Impule).

Die alternativen Stimuli sollten ebenfalls eine gute, ausreichende Regulation bieten und zugleich, durch die Möglichkeit der situationalen Anpassung, Miteinander und Akzeptanz ermöglichen.


Fazit


Das Verständnis für Autismus, für die besondere Wahrnehmung und besonders der Bedeutung von Stimming benötigt einen Blickpunktwechsel. Es müssen Reize, Materialien und Handlungen erlaubt oder angeboten werden, welche positiv „berühren“, „bewegen“ und „regulieren“ Imitation- und Lernfähigkeiten zu verbessern und die es erleichtern, auch unangenehme oder schwierige Situationen zu überstehen. Mithilfe von entspannenden und unterstützenden Impulsen soll es möglich werden, Interaktion, Integration, sowie auch Selbstständigkeit zu festigen, vor allem aber die Lebensqualität zu stärken.

Wir brauchen ein gegenseitiges Verstehen und Akzeptieren von Besonderheiten und individuellen Bedürfnissen.